Im zweiten Punischen Krieg wurde die Schlacht bei Cannae 216 v. Chr. zum bedeutendsten Gefecht zwischen den Römern und Karthagern. Unter Führung Hannibals konnte das karthagische Heer die zahlenmäßig überlegenden römischen Legionen durch geschickte Taktik besiegen. Die älteste überlieferte Quelle stammt vom griechischen Geschichtsschreiber Polybios, der in seinem Werk “Geschichte” (3, 113 ff] über die römische Niederlage berichtete:
Sobald Gaius [Terentius Varro] am folgenden Tage den Oberbefehl übernommen hatte, ließ er gleich bei Sonnenaufgang das Heer aus beiden Lagern zugleich ausrücken, führte die Truppen aus dem größten Lager über den Fluß und stellte sie hier sogleich in Schlachtordnung auf, ließ dann die aus dem anderen Lager im Anschluß an diese in der gleichen Linie aufmarschieren, und zwar mit Front nach Süden. Die römischen Reiter postierte er auf dem rechten Flügel am Fluß, an diese reihte er das Fußvolk in einer einzigen geraden Linie, wobei er die Manipeln dichter stellte als sonst und in jeder einzelnen die Tiefe um ein Vielfaches größer machte als die Frontbreite. Die Reiterei der Bundesgenossen wies er ihren Platz auf dem linken Flügel an. Vor dem ganzen Heere in einigem Abstande stellte er die Leichtbewaffneten auf. Mit den Bundesgenossen zusammen waren es gegen 80 000 Mann zu Fuß und etwas mehr als 6000 Reiter.
Zur gleichen Zeit führte Hannibal die Balearen (Schleuderer) und Lanzenträger über den Fluß und stellte sie vor dem Heere auf, führte dann die übrigen aus dem Lager und an zwei Stellen über den Fluß und ließ sie dem Feind gegenüber in Schlachtordnung aufmarschieren. Unmittelbar an den Fluß auf seinem linken Flügel stellte er die iberischen und keltischen Reiter der römischen Reiterei gegenüber, an diese schloß sich die Hälfte der schwerbewaffneten Libyer, an diese wiederum die Iberer und die Kelten; auf diese folgte die restliche Hälfte der Libyer, dann auf dem rechten Flügel die numidischen Reiter. Nachdem er alle diese in einer geraden Frontlinie aufgereiht hatte, ließ er die mittelsten Abteilungen der Iberer und Kelten ein Stück vorrücken, die rechts und links folgenden sich gestaffelt eine an die andere anschließen, in der Weise, daß sich eine halbmondförmige Krümmung ergab und die Linie durch die Verlängerung, die diese Krümmung mit sich brachte, entsprechend dünner wurde, damit die Libyer in der Schlacht die Funktion einer Reserve erhielten, während die Iberer und Kelten den ersten Strauß zu bestehen hatten. 114. […] Die gesamte Stärke der Reiterei belief sich bei den Karthagern auf 10 000, die des Fußvolkes auf nicht viel mehr als 40 000 zusammen mit den Kelten. Auf dem rechten Flügel der Römer befehligte Aemilius [Paullus], auf dem linken Gaius [Terentius Varro], in der Mitte Marcus [Atilius Regulus] und Gnaeus [Servilius Geminus], die Konsuln des Vorjahres. Bei den Karthagern hatte Hasdrubal den linken, Hanno den rechten Flügel, in der Mitte stand Hannibal selbst, ihm zur Seite sein Bruder Mago. Da die Römer, wie oben berichtet, Front nach Süden, die Karthager nach Norden hatten, war die aufgehende Sonne für keins der beiden Heer von Nachteil.
115. Als das Gefecht durch die im Vordertreffen Stehenden eröffnet wurde, stand der Kampf der Leichtbewaffneten anfangs ziemlich gleich. Sobald aber die iberischen und keltischen Reiter auf dem linken Flügel sich den Römern näherten, lieferten sie einen ernsten, nach Barbarenart geführten Kampf. Denn es wurde nicht nach der Regel gefochten, mit Zurückweichen und erneuter Kehrtwendung gegen den Feind, sondern nachdem sie einmal aneinandergeraten waren, kämpften sie im Nahkampf Mann gegen Mann, indem sie von den Pferden abstiegen. Dabei gewannen die Karthager die Oberhand, töteten die meisten im Handgemenge – denn die Römer setzten sich tapfer und verbissen zur Wehr – und trieben die übrigen, ohne Pardon mordend und niedermetzelnd, den Fluß entlang vor sich her. In diesem Augenblicke stieß auch das Fußvolk, das die Leichtbewaffneten im Kampfe ablöste, aufeinander. Kurze Zeit nun hielten die Reihen der Iberer und Kelten stand und kämpften mannhaft gegen die Römer, dann aber wichen sie, durch die feindlichen Massen bedrängt, und gingen zurück, so daß die halbmondförmige Vorwölbung verschwand. Die römischen Manipeln, die ihnen hitzig folgten, durchbrachen leicht die Schlachtordnung des Gegners, da ja die Kelten in dünner Linie standen, während sie sich selbst von den Flügeln her zur Mitte, dem Ort des Kampfes, dicht zusammengeschoben hatten. Denn die Flügel und das Zentrum stießen nicht gleichzeitig aufeinander, sondern zuerst das Zentrum, weil die Kelten, in Halbmondform aufgestellt, den Flügeln weit vorausstanden, denn die Wölbung des Halbmondes war dem Feinde zugekehrt. Die Römer also folgten den Kelten, liefen nach der Mitte, der Stelle, wo die Feinde wichen, zusammen und gerieten so weit nach vorn, daß die schwerbewaffneten Libyer ihnen auf beiden Seiten in der Flanke zu stehen kamen. Von diesen machten die auf dem rechten Flügel Stehenden eine Schwenkung nach der Schildseite [nach links] und rückten, von der Speerseite [von rechts] angreifend, den Feinden in der Flanke entgegen; die auf dem linken Flügel Stehenden machten die Schwenkung nach der Speerseite und marschierten von der Schildseite her in Schlachtreihe auf, wobei die Lage ihnen von selbst vorzeichnete, was sie zu tun hatten. So kam es, daß die Römer, wie Hannibal es beabsichtigt hatte, infolge ihres Vordringens gegen die Kelten von den Libyern in der Mitte eingeschlossen wurden. Jene nun fochten nicht mehr in Schlachtordnung, sondern Mann für Mann und Manipel für Manipel sich gegen die Feinde wendend, die von den Flanken auf sie eingedrungen waren.
116. Die Numider, die vom rechten Flügel her die feindliche Reiterei angriffen, die auf dem linken römischen Flügel stand, richteten bei der Eigentümlichkeit ihrer Kampfesweise weder etwas Bedeutendes aus noch hatten sie ihrerseits viele Verluste, legten jedoch ihren Gegner lahm, indem sie ihn beschäftigten und von allen Seiten angriffen. Als aber Hasdrubal und seine Reiter, nachdem sie die römischen Reiter am Fluß mit Ausnahme ganz weniger getötet hatten, vom linken Flügel her den Numidern zu Hilfe kamen, da wich die Reiterei der römischen Bundesgenossen, als sie sie aus der Ferne anrücken sahen, und ging zurück. In diesem Augenblick faßte Hasdrubal, so scheint mir, einen sehr verständigen und umsichtigen Entschluß. Da er nämlich sah, daß die Numider zahlenmäßig stark und am besten gegen solche zu verwenden waren, die sich einmal zur Flucht gewandt hatten, für diese aber eine furchtlose Gefahr bedeuteten, überließ er ihnen die Fliehenden und führte seine Reiter dorthin, wo die Schlacht des Fußvolkes im Gange war, um hier den Libyern Beistand zu leisten. Indem er die römischen Legionen im Rücken angriff und mit seinen Schwadronen abwechselnd an vielen Stellen zur Attacke gegen sie ritt, stärkte er die Zuversicht der Libyer und machte die Römer mutlos und verzagt. In diesem Augenblick fand auch L. Aemilius, nachdem er im Handgemenge schwer verwundet worden war, den Tod. […]
Die Römer hielten so lange stand, als sie noch nach den verschiedenen Seiten hin eine Front gegen die bilden konnten, von denen sie eingeschlossen waren. Als aber ringsum die in den vorderen Gliedern Stehenden mehr und mehr fielen und se auf einen engen Raum zusammengedrängt wurden, da fielen zuletzt alle, wo sie standen, unter ihnen auch Marcus und Gnaeus, die Konsuln des Vorjahres. […] Während diese im Handgemenge den Feinden erlagen, verfolgten die Numider die fliehenden Reiter, töteten die meisten von ihnen, andere warfen sie von den Pferden. Nur einige wenige entkamen nach Venusia. Unter ihnen war auch C. Terentius, der römische Konsul, ein Mann, der sein Amt zum Verderben des Vaterlands geführt hatte und nun schimpflich geworden war.
Auszüge zitiert nach: Polybios, Geschichte 3, 113 ff, Bd. 1, übersetzt von H. Drexler, in: W. Lautemann, M. Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen, Altertum, München 1975, S. 430 f.