Das Mailänder Toleranzedikt (oder Mailänder Vereinbarung) im Jahr 313 führte die gesetzliche Religionsfreiheit im Römischen Reich ein. Es wurde in Übereinkunft mit dem westlichen römischen Kaiser Konstantin und dem östlichen Kaiser Licinius geschlossen. Damit endeten zugleich die Christenverfolgungen, sodass sich die christliche Religion zu einem wichtigen politischen Träger zu entwickeln begann. Der spätantike Theologe und Geschichtsschreiber Eusebios schrieb die Mailänder Vereinbarung im 4. Jhd. nieder (Kirchengeschichte, 10,5):
Abschrift des kaiserlichen Erlasses, aus dem Lateinischen übersetzt:
In der Erkenntnis, daß die Religionsfreiheit nicht verwehrt werden dürfte, daß es vielmehr einem jedem gemäß seiner Gesinnung und seinem Willen verstattet sein solle, nach eigener Wahl sich religiös zu betätigen, haben wir bereits früher Befehl erlassen, daß es auch den Christen unbenommen sei, den Glauben beizubehalten, den sie selbst erwählt und im Kulte bekunden. Da aber in jenem Reskripte, worin ihnen diese Freiheit zugestanden wurde, viele und verschiedenartige Bedingungen ausdrücklich beigefügt erschienen, so ließen sich vielleicht manche von ihnen nach kurzer Zeit von solcher Beobachtung abdrängen. Da wir, ich, Constantinus Augustus, und ich, Licinius Augustus, durch glückliche Fügung nach Mailand gekommen und all das, was dem Volke zu Nutz und Vorteil gereiche, erwogen haben, so haben wir unter den übrigen Verfügungen, die dem Interesse der Allgemeinheit dienen sollten, oder vielmehr zuvörderst, den Erlaß jener Verordnungen beschlossen, die sich auf die Achtung und Ehrung des Göttlichen beziehen, um den Christen und allen Menschen freie Wahl zu geben, der Religion zu folgen, welcher immer sie wollten. Es geschah dies in der Absicht, daß jede Gottheit und jede himmlische Macht, die es je gibt, uns und allen, die unter unserer Herrschaft leben, gnädig sein möge.
In gesunder und durchaus richtiger Erwägung haben wir so diesen Beschluß gefaßt, daß keinem Menschen die Freiheit versagt werden solle, Brauch und Kult der Christen zu befolgen und zu erwählen, daß vielmehr jedem die Freiheit gegeben werde, sein Herz jener Religion zuzuwenden, die er selbst für die ihm entsprechende erachtet, auf daß uns die Gottheut in allem die gewohnte Fürsorge und Huld schenken möge. Demzufolge geben wir in einem Reskripte als unsern Willen kund, daß die Bedingungen, die hinsichtlich der Christen unserm früheren Schreiben an deine Ergebenheit [d. i. der Statthalter in Bithynien], beigefügt waren, völlig aufgehoben und alles beseitigt werde, was als gänzlich verkehrt und unserer Milde widersprechend erschien, und daß fernab ein jeglicher aus denen, die eben diese Wahl getroffen, nämlich die Religion der Christen zu bekennen, dies frei und ohne weiteres ohne irgendwelche Belästigung üben solle. Und wir haben beschlossen, diese Maßnahmen deiner Sorgsamkeit in vollem Umfange kundzutun, damit du wissest, daß wir eben den Christen ungehinderte und uneingeschränkte Freiheit in Ausübung ihrer Religion verliehen. Da du nun siehst, daß den Christen dieses Recht in uneingeschränktem Maße von uns eingeräumt wurde, so wird das deine Sorgsamkeit dahin verstehen, daß damit auch andern Erlaubnis gegeben sei, die religiösen Bräuche ihrer eigenen Wahl zu beobachten. Ist es doch offensichtlich der Ruhe unserer Zeit angemessen, daß jeder Freiheit habe, gemäß seinem Willen eine Gottheit zu erwählen und sie zu verehren. Dies haben wir verfügt, damit es nicht den Anschein erwecke, als würde irgendein Kult oder irgendeine Religion durch uns Hintansetzung erfahren.
Bezüglich der Christen bestimmen wir weiterhin, daß jene Stätten, an denen sie ehedem zusammengekommen pflegten und über die dereinst in dem früheren Schreiben an deine Ergebenheit eine bestimmte Verfügung getroffen ward, von denen, die sie nachweislich von unserer Kammer oder von anderer Seite käuflich erworben, unentgeltlich und ohne Rückforderung des Kaufpreises, ohne Zögern und Zaudern, an die Christen zurückerstattet werden. Auch wer solche Stätten geschenkweise erhalten, soll sie so schnell als möglich denselben Christen zurückgeben. Jene aber, die von unserer Hochherzigkeit irgendeine Vergütung hierfür erbitten, mögen sich, ob sie nun auf dem Wege des Kaufes oder der Schenkung Eigentümer geworden, an den örtlichen Statthalter wenden, damit auch sie die Fürsorge unserer Milde erfahren. […]
Bei alldem sollst du deine Aufmerksamkeit nach besten Kräften der genannten Körperschaft der Christen zuwenden, damit unser Befehl schleunigst durchgeführt und so durch unsere Milde auch nach dieser Richtung für die allgemeine und öffentliche Ruhe gesorgt werde. Auf diese Weise möge uns, wie oben gesagt, das göttliche Wohlwollen, das wir schon bei vielen Gelegenheiten erfahren, für alle Zeit fest erhalten bleiben! Damit aber der Inhalt dieses von uns in Hochherzigkeit erlassenen Gesetzes zur Kenntnis aller gelange, ist es notwendig, daß dieses unser Schreiben auf deine Anordnung überall angeschlagen und allen kundgegeben werde, und so die Verfügung, in der diese unsere Hochherzigkeit sich ausspricht, niemand verborgen bleibe.
Zitiert nach: Eusebios, Kirchengeschichte 10, 5, übersetzt von Ph. Hauser, in: W. Lautemann, M. Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen. Altertum, München 1975, S. 741 f.