Zeitungsberichte über den 17. Juni 1953

Die in Westdeutschland publizierte Tageszeitung “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (FAZ) berichtete am 18. Juni 1953 unter der Überschrift “Ausnahmezustand über Ost-Berlin verhängt” über den “Volksaufstand” in der DDR:

Am Mittwoch ist es in Ost-Berlin erneut zu Massendemonstrationen gegen die Regierung der sowjetischen Zone gekommen. […] Die Forderungen der Demonstranten lauteten: Rücktritt der Regierung, freie Wahlen, Senkung der Preise um fünfzig Prozent, Abschaffung der Arbeitsnorm, Freilassung der politischen Gefangenen. […] Die Demonstranten richteten auf ihrem Zuge Zerstörungen an, plünderten in einigen Fällen Geschäfte und legten Brände an. Um 13 Uhr wurde auf Befehl des Militärkommandanten des sowjetischen Sektors der Ausnahmezustand über den Sowjetsektor verhängt, die Betriebe besetzt und hohe Strafen über die Demonstranten angedroht. Ungefähr vierzig schwere Panzerwagen fuhren am Leipziger Platz, am Brandenburger Tor und an anderen wichtigen Punkten des Sowjetsektors auf. Auch motorisierte Kolonnen der Roten Armee mit Maschinenpistolen, Stahlhelmen sowie Panzerspähwagen beteiligten sich an der militärischen Besetzung.

Nach Erklärung des Ausnahmezustandes wurde von Sowjets und Volkspolizei aus Maschinengewehren und Karabinern am Leipziger Platz das Feuer auf die Menschenansammlungen eröffnet. An anderer Stelle wurde in die Luft geschossen, auch mit der Panzerkanone. Allein am Potsdamer Platz gab es drei Tote und fünfzehn Schwerverletzte, darunter eine Frau. […] Die genaue Zahl der Toten und Verletzten war noch nicht festzustellen. Die Generalstreikparole, die bei der Demonstration der dreitausend Arbeiter gegen die SED und die Normerhöhung am Dienstag ausgegeben worden war, hatten fast alle Großbetriebe in Ost-Berlin befolgt, so daß die Arbeit beinahe überall ruhte. […]

In einer Regierungserklärung über den Rundfunk wurde die Bevölkerung um 17 Uhr aufgefordert, die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung zu unterstützen. […] Die Erklärung war von Ministerpräsident Grotewohl unterzeichnet. Politische Kreise Berlins weisen darauf hin, daß nunmehr die Sowjets gezwungen sind, eine Entscheidung über das Verbleiben der Regierung in ihrer jetzigen personellen Zusammensetzung und die von ihr betriebene Politik zu fällen. Aus der Art dieser Entscheidung […] werde endgültig geklärt werden, was die Sowjets in Deutschland beabsichtigten, ob sie ehrlich eine gesamtdeutsche Lösung wünschten, indem sie die Regierung zum Rücktritt veranlaßten und freie Wahlen ausschreiben oder ob sie eine solche Lösung ablehnten, indem sie die Einheitspartei und ihre führenden Mitglieder stützen.

Auszüge zitiert nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 138, 18.06.1953, S. 1.


Die in der DDR publizierte und der SED nahestehende Tageszeitung “Neues Deutschland” verfasste am 18. Juni 1953 unter der Überschrift “Zusammenbruch des Abenteuers ausländischer Agenten in Berlin” folgenden Artikel:

Während die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ihre Anstrengungen darauf richtet, durch wichtige Maßnahmen die Lebenshaltung der Bevölkerung zu verbessern, wobei sie ihre besondere Aufmerksamkeit der Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft zuwendet, haben käufliche Elemente, und zwar Agenten ausländischer Staaten und ihre Helfershelfer aus den Kreisen der deutschen Monopolherren, die Maßnahmen der Regierung zu durchkreuzen versucht.

Es wurde festgestellt, daß die Arbeitsniederlegungen, zu denen es gestern in einer Reihe von Betrieben kam, ebenso wie die provokatorischen Ausschreitungen einzelner Gruppen faschistischer Agenten in den Straßen des demokratischen Sektors von Berlin, nach einem einheitlichen, in Westberlin hergestellten, für einen geeigneten Moment vorgesehenen Plan durchgeführt wurden. Die Exzesse endeten mit dem Zusammenbruch des angezettelten Abenteuers, da sie auf den Widerstand größerer Teile der Bevölkerung und der Machtorgane stießen.

In den Betrieben wird die normale Arbeit wieder aufgenommen. Auf den Straßen wird die Ordnung aufrechterhalten. […] Gescheitert sind die schändlichen Versuche der ausländischen Agenten, die wichtigen auf die Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung gerichteten Maßnahmen der Regierung zu stören. Gescheitert ist der Versuch, Verwirrung zu säen, um der Herstellung der Einheit Deutschlands neue Hindernisse in den Weg zu legen. Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird entscheidende Maßnahmen ergreifen, um die an den Ausschreitungen Schuldigen strenger Bestrafung zuzuführen. Die Provokateure können nicht auf Milde rechnen.

Auszüge zitiert nach: Neues Deutschland Nr. 140, 18.06.1953, S. 1.

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 14.05.2020 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 14.05.2020. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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