In Bayern war im Jahr 1923 von der bayerischen Regierung (Kabinett Knilling) der Ausnahmezustand ausgerufen worden. Die Krisenzeit unter der diktatorischen Übergangsregierung von Generalstaatskommissar Kahr nutzten Hitler und Ludendorff für einen Staatsstreich aus. Dies zeigt der amtliche bayerische Bericht vom 9. November 1923 über den Hitler-Ludendorff-Putsch im Bürgerbräukeller:
Am 8. November nachmittags um 4 Uhr bis 5:30 Uhr fand eine Besprechung zwischen Kahr, General Ludendorff, General v. Lossow und Oberst v. Seißer im Generalstaatskommissariat statt. Bei dieser Besprechung wurde Einheitlichkeit in Bezug auf die erstrebenswerten Ziele festgestellt, wenn auch General Ludendorff in Bezug auf das Tempo drängte, angesichts der großen Notlage, in der sich weite Kreise des deutschen Volkes befänden. Wenige Stunden später gegen 8:30 Uhr abends erfolgte in der überfüllten Versammlung im Bürgerbräukeller, während Kahr seine angekündigte Rede hielt, ein verbrecherischer Überfall durch Hitler mit einem stark bewaffneten Anhang, wobei Kahr, Lossow und Seißer mit vorgehaltener Pistole gezwungen wurden, an der Verwirklichung der von Hitler schon lange gehegten Pläne, namentlich der Aufstellung einer Reichsdiktatur Hitler-Ludendorff, mitzutun. […] Wenn Kahr, Lossow, Seißer unter dem Zwang der Verhältnisse die von ihnen erpresste Erklärung abgaben, so geschah dies, weil die Herren von der Überzeugung erfüllt waren, dass nur in einem einheitlichen Zusammengehen und Vorgehen dieser drei Personen noch die Möglichkeit gelegen war, die Staatsautorität innerhalb Bayerns aufrechtzuerhalten und das Auseinanderfallen aller Machtmittel zu verhindern. […]
Von Hitler wurde im Saal verkündet, das Kabinett Knilling sei abgesetzt, als Landesverweser werde Exzellenz v. Kahr fungieren. Bayerischer Ministerpräsident solle Poehner werden; die Reichsregierung und Präsident Ebert seien abgesetzt, eine deutsche Nationalarmee werde gebildet und General Ludendorff unterstellt. Reichswehrminister und militärischer Diktator werde General v. Lossow, während Oberst v. Seißer Reichspolizeiminister sein solle. Die Leitung der Politik übernehme ich, sagte Hitler. Es werde nun der Kampf gegen Berlin aufgenommen werden. Kahr gab darauf die folgende Erklärung ab: In des Vaterlandes höchster Not übernehme ich die Leitung der Staatsgeschäfte als Statthalter der Monarchie, der Monarchie, die heute vor fünf Jahren so schmählich zerschlagen wurde. Ich tue dies schweren Herzens und, wie ich hoffe, zum Segen unserer bayerischen Heimat und unseres lieben deutschen Vaterlandes. Auch die übrigen auf dem Podium Stehenden gaben Erklärungen ab, die bei den Herren v. Lossow und v. Seißer sichtlich dem Bestreben entsprangen, aus der Situation herauszukommen. […]
Auf diese Weise gelang es dem Generalstaatskommissar, dem Wehrkommandanten und dem Polizeiobersten, die Bewegungsfreiheit wieder zu gewinnen, die im ersten günstigen Augenblick dazu benutzt wurde, um in der Kaserne des 19. Infanterieregiments in Oberwiesenfeld die Regierungsgewalt wieder in die Hand zu nehmen, sofort die Truppen und die Polizeiwehr zu mobilisieren und Verstärkungen aus den Standorten der Umgebung heranzuziehen. Es wurde auch sofort für Aufklärung nach außen gesorgt und ein Funktelegramm folgenden Inhalts aufgegeben:
An alle deutschen Funkstationen: Generalstaatskommissar v. Kahr, General v. Lossow und Oberst v. Seißer lehnen den Hitler-Putsch ab. Die mit Waffengewalt erpresste Stellungnahme im Bürgerbräuhaus ungültig. Vorsicht gegen den Missbrauch obiger Namen geboten. gez. v. Kahr, gez. v. Lossow, gez. v. Seißer. Dies geschah noch in den ersten Nachtstunden des 9. November.
Zitiert nach: Günter Schönbrunn (Hg.), Geschichte in Quellen. Weltkriege und Revolutionen, München 1979, S. 197f.