Friedrich Engels: Über die Vorteile des kommunistischen Systems

Die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert hatte die Arbeiterschaft an die Schwelle des Existenzminimums gebracht. Der Unternehmer und Philosoph Friedrich Engels entwickelte (gemeinsam mit Karl Marx) mit dem Kommunismus eine alternative Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die die soziale Frage lösen sollte. Am 8. Februar 1845 hielt Engels auf einer privaten Versammlung in Elberfeld eine Rede, in der er seine bürgerlichen Zuhörer von den Vorteilen des kommunistischen Systems unterrichtete:

Meine Herren! Wir leben, wie Sie eben gehört haben, und wie ich es ohnehin als allgemein bekannt voraussetzen darf, in einer Welt der freien Konkurrenz. Sehen wir uns denn diese freie Konkurrenz und die von ihr erzeugte Weltordnung etwas näher an. In unserer heutigen Gesellschaft arbeitet Jeder auf seine eigne Hand, Jeder sucht sich für seinen Kopf zu bereichern und kümmert sich nicht im Geringsten um das, was die Andern tun; von einer vernünftigen Organisation, von einer Verteilung der Arbeiten ist keine Rede, sondern im Gegenteil, Jeder sucht dem Andern den Rang abzulaufen, sucht die günstige Gelegenheit für seinen Privatvorteil auszubeuten und hat weder Zeit noch Lust, daran zu denken, daß sein eigenes Interesse im Grunde doch mit dem aller übrigen Menschen zusammenfällt. Der einzelne Kapitalist steht im Kampfe mit allen übrigen Kapitalisten, der einzelne Arbeiter mit allen übrigen Arbeitern; alle Kapitalisten kämpfen gegen alle Arbeiter, wie die Masse der Arbeiter notwendig wieder gegen die Masse der Kapitalisten zu kämpfen hat. In diesem Kriege Aller gegen Alle, in dieser allgemeinen Unordnung und gegenseitigen Ausbeutung besteht das Wesen der heutigen bürgerlichen Gesellschaft. Eine solche ungeregelte Wirtschaft, meine Herren, muß aber notwendig auf die Dauer für die Gesellschaft die unheilvollsten Resultate erzielen; die ihr zum Grunde liegende Unordnung, die Vernachlässigung des wahren, allgemeinen Wohls muß über kurz oder lang in einer eklatanten Weise zu Tage kommen. Der Ruin der kleinen Mittelklasse, des Standes, der die Hauptgrundlage der Staaten des vorigen Jahrhunderts bildete, ist die erste Folge dieses Kampfes. –

Wir sehen es ja täglich, wie diese Klasse der Gesellschaft durch die Macht des Kapitals erdrückt wird, wie z. B. die einzelnen Schneidermeister durch die Läden fertiger Kleider, die Möbelschreiner durch die Möbelmagazine ihre besten Kunden verlieren und aus kleinen Kapitalisten, aus Mitgliedern der besitzenden Klasse, in abhängige, für Rechnung Anderer arbeitende Proletarier, in Mitglieder der besitzlosen Klasse verwandelt werden. Der Ruin der Mittelklasse ist eine vielbeklagte Folge unserer vielgepriesenen Gewerbefreiheit, er ist ein notwendiges Resultat der Vorteile, die der große Kapitalist über seinen weniger besitzenden Konkurrenten hat, er ist das energischste Lebenszeichen der Tendenz des Kapitals, sich in wenig Händen zu konzentrieren. Diese Tendenz des Kapitals ist ebenfalls von vielen Seiten anerkannt; es wird allgemein darüber geklagt, daß sich der Besitz täglich mehr und mehr in den Händen Weniger anhäufe, und dagegen die große Mehrzahl der Nation mehr und mehr verarme. So entsteht denn der schroffe Gegensatz von wenigen Reichen auf der einen, und vielen Armen auf der anderen Seite; ein Gegensatz, der in England und Frankreich bereits auf eine drohende Spitze gesteigert ist und auch bei uns sich mit jedem Tage zu größerer Schärfe entwickelt. Und so lange die jetzige Basis der Gesellschaft beibehalten wird, so lange wird es unmöglich sein, diesem Fortschritt der Bereicherung weniger Einzelnen und der Verarmung der großen Masse Einhalt zu tun; der Gegensatz wird sich schärfer und schärfer ausbilden, bis endlich die Not die Gesellschaft zu einer Reorganisation nach vernünftigeren Prinzipien zwingt. […]

In der kommunistischen Gesellschaft, wo die Interessen der Einzelnen nicht einander entgegengesetzt, sondern vereinigt sind, ist die Konkurrenz aufgehoben. Von einem Ruin einzelner Klassen, von Klassen überhaupt, wie heutzutage Reiche und Arme, kann, wie sich von selbst versteht, keine Rede mehr sein. Sowie bei der Produktion und Austeilung der zum Leben nötigen Güter der Privaterwerb, der Zweck des Einzelnen, sich auf eigne Faust zu bereichern, wegfällt, fallen auch die Krisen des Verkehrs von selbst weg. In der kommunistischen Gesellschaft wird es ein Leichtes sein, sowohl die Produktion wie die Konsumtion zu kennen. Da man weiß, wie viel ein Einzelner im Durchschnitt braucht, so ist es leicht zu berechnen, wie viel von einer gewissen Anzahl Individuen gebraucht wird, und da die Produktion alsdann nicht mehr in den Händen einzelner Privaterwerber, sondern in den Händen der Gemeinde und ihrer Verwaltung ist, so ist es eine Kleinigkeit, die Produktion nach den Bedürfnissen zu regeln. […]

Auszüge zitiert nach: Rheinische Jahrbücher zu gesellschaftlichen Reform, hrsg. v. Herrmann Püttmann, Darmstadt 1847, S. 71f.

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 09.07.2019 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 09.07.2019. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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