Programm des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlangte neben den Arbeitervereinen auch die Frauenbewegung im Kaiserreich immer größeren Zulauf. Rufe nach Berufsausübung, politischem Wahlrecht und sozialer Anerkennung wurden laut. In einem 1905 verabschiedeten Programm stellte der Allgemeine Deutsche Frauenverein im Jahr 1905 diese Forderungen auf:

I. Bildung […]: a) obligatorische Fortbildungsschulen für alle aus der Volksschule entlassenen Mädchen; b) eine Reorganisation der höheren Mädchenschule […]. Den Mädchen muss […] die Möglichkeit gegeben werden, an den Berechtigungen der höheren Lehranstalten teilzunehmen; c) unbeschränkte Zulassung ordnungsgemäß vorgebildeter Frauen zu allen wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Hochschulen.

II. Berufstätigkeit. Die Frauenbewegung betrachtet für die verheiratete Frau den in der Ehe und Mutterschaft beschlossenen Pflichtenkreis als ersten und nächstliegenden Beruf. Die befriedigende Erfüllung dieses Berufs muss im Interesse der Gesamtheit mit allen Mitteln der Bildung, der wirtschaftlichen Reform, des staatlichen Schutzes gesichert werden. Die Arbeit der Frau […] ist wirtschaftlich und rechtlich als vollgültige Kulturleistung zu bewerten. In Anbetracht der großen Zahl von Frauen, die unverheiratet bleiben, und […] derer, die in der Ehe keine ausreichende wirtschaftliche Versorgung finden können, ist die Berufsarbeit der Frau eine wirtschaftliche und sittliche Notwendigkeit. […]

III. Ehe und Familie. Die Frauenbewegung sieht in der Heilighaltung der Ehe die wesentlichste Bürgschaft für das körperliche und geistige Wohl der Nachkommenschaft und die Grundbedingung sozialer Gesundheit. Sie legt in Bezug auf die sexuelle Sittlichkeit Männern und Frauen die gleichen Pflichten auf und bekämpft die doppelte Moral, die einerseits dem Manne eine in jeder Hinsicht verhängnisvolle sexuelle Freiheit gewährt, andererseits die Frau mit ungerechter Härte trifft. Sie fordert für die Frau als Leiterin des Hauses und Erzieherin der Kinder, dass die […] auch rechtlich die gleiche Verantwortung in allen Angelegenheiten der Ehe und der Familie trage wie der Mann […].

IV. Öffentliches Leben, Gemeinde und Staat. […] a) Zulassung der Frauen zu verantwortlichen Ämtern in Gemeinde und Staat, vor allem solchen, die zu den Interessen der Frauen in besonders naher Beziehung stehen (Mädchenschulwesen, staatliche und kommunale Sozialpolitik, Arbeiterinnenfrage, Rechtspflege usw.). b) Zuziehung der Frauen zur Vertretung der Laien bei der Rechtspflege (weibliche Schöffen und Geschworene). c) Beseitigung der vereinsrechtlichen Beschränkungen der Frau. d) Teilnahme der Frauen am kirchlichen Wahlrecht. e)) Teilnahme der Frauen am kommunalen Wahlrecht. f) Teilnahme der Frauen am politischen Wahlrecht.

Auszüge zitiert nach: G. A. Ritter, J. Kocka (Hg.), Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914, Dokumente und Skizzen, München 1982, S. 422 f.

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 24.02.2016 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 24.02.2016. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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