In der Revolution 1848/49 hielt Ernst Moritz Arndt als Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung eine Rede, in der dieser sich für die Abschaffung des Adelsstandes aussprach. Die sozialen Schranken in der Gesellschaft sollten durchlässiger gemacht und jedem Individuum die gleichen Rechte zugesprochen werden:
Meine Herren! Ich alter Plebejer, der ich den Streit gegen den Adel und zwar den Streit gegen die Mißbräuche mit angefangen habe, die der Adel gegen die Bauernschaften in meiner Heimat geübt, ich sollte gleichsam nur durch mein Gemüt – denn etwas Anderes bewegt mich wahrlich nicht – für den Adel sprechen; aber, wie ich glaube, ist es eine alte Lehre, daß wir Alle Adam’s Kinder sind, daß wir Alle Eines Stammes, Eine Blutes, Einer geistigen Würdigkeit sind. […]
Ich bin auch der Meinung des Ausschusses, und ich bin der Meinung des ganzen deutschen Volkes und aller denkenden Männer, welche die Freiheit wollen, daß das Privilegium, welches dem Adel gleichsam die Erde an die Füße gebunden hat, oder doch wenigstens das Privilegium, wonach der Adel gewisse Rechte, nicht gewisse Ehrenvorzüge, sondern Gold- und Silbervorteile auch an sich gebunden glaubte. Dies soll abgeschafft werden. Aber etwas Anderes ist es mit der Abschaffung der idealen Bilder, ich möchte sagen, eines jeden Standes. Wie schwer, wie hart ist es den Schuhmachern und Schneidern und manchen Anderen gewesen, als man ihnen ihre Laden genommen, als man ihnen ihre Privilegien und Satzungen für abgeschafft erklärt hat, als man ihnen ihre Gebräuche aufgehoben. Es liegt eine unendliche Gewalt in der Erinnerung, in dem Gefühle der Erinnerung, die der Mensch in sich empfindet. Es liegt eine gewaltige Kraft darin.
Ich will darauf nicht drücken, daß der Adel einen Reiz zur Tugend hat, zur größeren Aufopferung, zur größeren Anspornung, zu edleren Strebungen und Taten, indem seine Ahnen, die Taten der früheren Geschlechtern, vor ihm schweben. Etwas ist darin, aber das ist nicht mächtig genug, um vorzuhalten: die Lehre der Tugend, die Lehre der Gerechtigkeit. Diese ist in der Hütte und Werkstätte, wenn die Eltern und die Lehrer recht sind, an der Wiege eines Jeden so mächtig, wie in den adeligen Geschlechtern. Die Gefühle der Menschen aber, die Urteile, die Vorurteile der Menschen, Alles, was oben schwebt, das Heiligtum der Menschheit, ich möchte sagen, das poetische Heiligtum der Menschheit, müssen wir in unsern Versammlungen schonen, weil wir sie tief begründet sehen in dem Volke und den Menschengeschlechtern aller Zeiten und Jahrhunderte. […]
Also, indem ich von der Vielseitigkeit, Vielerleiheit, Mannigfaltigkeit, Vielsinnigkeit, Vielfältigkeit Deutschland’s rede, und sie preise, so ist es mir auch sehr natürlich, daß, wenn man dem Adel Das nimmt, wodurch er als eine Last auf dem Volke gelegen hat, und zum Teil noch liegt, wenn man ihm die Vorrechte nimmt, die er gehabt hat, man ihm seine Ahnen, Wappen und Bilder und Zeichen lassen soll, die künftig unter den hundert und tausend kleinen Fähnchen und Wimpeln unter der großen Reichsadlerfahne mitflattern können. Das ist meine Meinung.
Auszüge zitiert nach: Ernst Moritz Arndt: Über die Abschaffung des Adels 1848, in: Politische Reden I, 1792-1867, hrsg. v. Peter Wende, Frankfurt am Main 1990, S. 377f.