Burgfriedenspolitik

Nach der Julikrise 1914 versuchte Kaiser Wilhelm II. das deutsche Volk für den Weltkrieg einzustimmen. Dies schien zunächst sehr schwierig, weil die kaiserliche Gesellschaft von sozialen, politischen und konfessionellen Unterschieden gekennzeichnet war. Insbesondere die als “Reichsfeinde” abgestempelten Sozialdemokraten mussten für die Zustimmung von Kriegskrediten überzeugt werden, weil diese die stärkste Fraktion im Reichstag bildeten. Dies gelang Wilhelm II. mit seiner legendären Thronrede am 4. August 1914, als er vom “Burgfrieden” sprach und damit große Kriegsbegeisterung auslöste.

Sozialdemokraten im Kaiserreich

Die Arbeiterbewegung und ihre politisch unterstützenden Sozialdemokraten waren im Kaiserreich oftmals Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt. Reichskanzler Otto von Bismarck hatte sie als “Reichsfeinde” bezeichnet und ihre politischen Aktivitäten mit dem Sozialistengesetz 1878 eingeschränkt. Nachdem das Sozialistengesetz mit Bismarcks Entlassung 1890 aufgehoben wurde, entwickelte sich die Sozialdemokratie bis 1914 zur stärksten politischen Fraktion im Reichstag. Um die notwendigen Kriegskredite bewilligen zu können, musste Kaiser Wilhelm II. diese also für den Weltkrieg begeistern.1

Thronrede Wilhelms II.

Am 4. August 1914 hielt Wilhelm II. im Berliner Stadtschloss vor den Abgeordneten des Reichstags – aber ohne Vertreter der SPD – seine berühmte Thronrede. Mit seiner Burgfriedenspolitik konnte er allgemeine Kriegsbegeisterung wecken und überschattete damit alle sozialen, politischen und konfessionellen Gegensätze in der Bevölkerung. Wilhelm II. ging auf die russische Generalmobilmachung ein und überzeugte das deutsche Volk von der Notwendigkeit eines Präventivkriegs. Neben den anderen Parteien ließen sich auch große Teile der SPD von Wilhelms Thronrede begeistern und stimmten den Kriegskrediten mehrheitlich zu.2

Spaltung der Arbeiterbewegung

Die Zustimmung der Kriegskredite hatte für die Zukunft der Sozialdemokraten gravierende Folgen. Da die SPD bis dahin eine grundlegende antimilitaristische und friedliche Politik betonte, kam es langfristig zur Spaltung der Arbeiterbewegung. Der innerparteiliche Gegensatz führte im Jahr 1917 zur Gründung der USPD. Es formierte sich mit der “Gruppe Internationale” außerdem eine revolutionäre Bewegung, die die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten als “Verrat” bezeichnete und einen radikaleren politischen Kurs verfolgte. Daraus entwickelte sich 1918 der Spartakusbund, der Vorläufer der KPD war und das System einer sozialistischen Räterepublik befürwortete. Diese Umstände erbrachten die Trennung der Arbeiterbewegung in Sozialdemokraten und Sozialisten. Als die Kriegsbegeisterung mit anhaltenden militärischen Niederlagen und fehlender Lebensmittelversorgung erblasste, kam es schließlich zu sozialen Unruhen und Streiks. Diese mündeten in der Novemberrevolution 1918, die das Ende des Weltkriegs und den Umsturz des Kaiserreichs einleitete.3

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Bild 1: Kaiser Wilhelm II. (1902), Autor: Thomas Heinrich Voigt, Lizenz: Gemeinfrei

Bild 2: Extra-Blatt Neuer Görlitzer Anzeiger vom 1. August 1914, Autor/Lizenz: Bundesarchiv, Bild 183-87802-0004 / CC BY-SA 3.0

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 06.07.2016 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 22.02.2021. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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