Geschichte der schriftlichen Überlieferung – Von der Tontafel zur Online-Bibliothek

Wissensvermittlung ist eine der Fähigkeiten, welche es der Menschheit erlaubt, auf den Erkenntnissen der vorangegangenen Generationen aufzubauen und diese zu verbessern. Leider ist mündliche Überlieferung oft unzuverlässig. Dinge werden vergessen oder nach dem Stille Post-System abgeändert. Eine schriftliche Überlieferung bietet mehr Sicherheit, denn solche Quellen sind schwierig zu ändern und die Informationen auch lange nach dem Verfassen noch überprüfbar. Doch wie kam es zu dem geschriebenen Wort und wie änderte sich seine Rolle in der Geschichte?

Die Keilschrift – Ursprung des geschriebenen Wortes

Die Ursprünge der Schrift entstanden aufgrund ganz praktischer Überlegungen. Zwischen dem vierten und dritten Jahrtausend vor Christus begannen die Sumerer im Zweistromland Mesopotamien in größeren Städten zusammenzuleben. Um das Jahr 3000 v. Chr. sollen etwa in Uruk rund 40.000 Menschen gelebt haben. Wenn so viele Menschen auf einem Haufen leben, stellen sich viele Fragen, etwa die nach der Versorgung. Um Hungersnöten zu vermeiden und mit den Nahrungsreserven richtig planen zu können ist es absolut notwendig genaues Wissen über die Menge an Lebensmitteln in den Speichern zu besitzen. Doch wer soll bei den Mengen an Nahrung, die für diese Menschenmassen benötigt wird den Überblick behalten? Was tun, wenn der für die Inventur zuständige Zähler verstirbt?

Um dieses Problem zu lösen, erfanden die Sumerer ein einfaches System. Sie drückten mithilfe eines Griffels Zeichen in Ton. Wenn ein Bauer jetzt die Abgaben von fünf Säcken Weizen entrichtet hatte, dann wurde ihm fünf Tontafeln mit dem Bild einer Weizenähre gegeben, der Verwalter des Lagers bekam ebenfalls fünf solcher Tafeln. So konnte der Bauer nachweisen, seinen Tribut gezahlt zu haben und der Verwalter wusste, dass fünf neue Sack Weizen in seinem Lager sind. Nun lässt sich die Menge an Sack Weizen, die in einem Silo sind leichter zählen. Dasselbe wird mit einem Bild von einem Schaf oder dem Bild von einem Fisch gemacht, und schon weiß der Herrscher, wie es um die Menge an Nahrungsmitteln bestellt ist. Dies ist der Beginn der Keilschrift, noch im Anfangsstadium als reine Bildschrift, also eine Schrift in der ein Bild stellvertretend für das Objekt steht.

Allerdings hat eine Bildschrift einige Nachteile:

  • Es wird eine riesige Menge an Bildern benötigt.
  • Die Zeichen müssen sehr detailliert sein, um etwa verschiedene Fischarten oder Getreidesorten unterscheidbar zu machen.
  • Die Darstellung von komplexen Begriffen, wie etwa von Göttern oder wichtigen Personen ist nur durch Abstraktion möglich.
  • Manche Zeichen haben mehrere Bedeutungen, so stand die Heuschrecke etwa einerseits für das Insekt, andererseits auch für Zerstörung.

Von der Bildschrift zur Lautschrift

Um diese Probleme zu lösen, wurde manchen Zeichen nun eine weitere Komponente hinzugefügt. Die Zeichen standen nicht mehr nur für das Objekt, sondern sie haben auch eine phonetische Komponente. Das bedeutet, dass das Zeichen einem Laut aus der gesprochenen Sprache entspricht, ganz ähnlich zu unserem modernen Alphabet. So konnten die gesprochenen Worte in aufeinanderfolgende Keilzeichen übersetzt werden. So ließen sich nicht nur komplexere Begriffe abbilden, sondern auch die Menge an benötigten Zeichen verringern, da ein Mensch nur zu einer bestimmten Anzahl an phonetischen Lauten fähig ist. Ein weiterer Vorteil war, dass die Zeichen nun nicht mehr so detailliert sein mussten, was die Handhabung im Alltag erleichterte. Und beinahe ebenso wichtig, es ließen sich auch fremde Sprachen aufschreiben. Ein enormer kultureller Vorteil für die damalige sumerische Supermacht.

Ein Nachteil findet sich aber auch. Die frühe Keilschrift lässt sich für die meisten Menschen im Alltag schnell lernen, ein Händler benötigte nur eine geringe Kenntnis der Vielzahl an Zeichen, nämlich die, die er im Alltag benutzt. Da diese aber Abbildungen sind, ist es selbst für ungeübte Recht einfach, die Bedeutung des Zeichens Kuh oder Kopf zu lernen. Mit einer Laut- beziehungsweise Silbenschrift benötigt man eine längere Ausbildung, um diese Lesen und Schreiben zu können. So lassen sich zwar alle Zeichen schneller erlernen, aber Leuten ohne Bildung bleiben Lesen und Schreiben verschlossen. Daher wurden Schriftschulen gegründet, in denen Schreiber ausgebildet wurden.

Mit der Zeit änderten sich die Schriftsprachen und damit die Zeichen welche verwendet wurden. Ägyptische Hieroglyphen starteten im 32. Jahrhundert v. Chr. ebenfalls als Konkurrenzschriften, die ebenso einen teilweisen Wandel zu einer Lautschrift vollzogen. Nach und nach kamen Konsonantenschriften, also Schriften, die nur aus Konsonanten bestehen wie das Phönizische, das Hebräische oder das Arabische hinzu. Aus dem phönizischen Alphabet entwickelte sich nun das griechische Alphabet. Dieses ist das erste richtige Alphabet, denn im Allgemeinen wird der Begriff Alphabet für die Gesamtheit aller Schriftzeichen einer Sprache benutzt. Doch das griechische Alphabet, welches auch die Grundlage der meisten westlichen Schriften ist, ist auch die erste Schriftkategorie, die den Namen der Kategorie Alphabet prägt. Der Begriff setzt sich aus den beiden ersten Buchstaben des griechischen Alphabets zusammen, Alpha für A und Bet für Beta und damit B. Deshalb ist jede Sprache, die sich auf diese griechischen Buchstaben zurückführen lassen, teil der Kategorie Alphabet, während umgekehrt aber jede Schriftsprache ein Alphabet besitzt.

Schriftmedien im Wandel der Zeit

Doch nicht nur die Schrift hat sich verändert, auch das Medium auf welchen wir schreiben hat einige Veränderungen im Laufe der Jahrtausende erfahren. Standen am Anfang noch besagte Tontafeln, war es schnell notwendig, auf anderen Materialien zu schreiben. Denn Tontafeln waren nicht besonders praktisch, längere Texte brauchten größere und schwerere Tontafeln und der Transport gestaltete sich auch als schwierig. Daher tauchten schnell neue Schreibmaterialien auf, etwa der Papyrus. Hierbei handelt es sich um in Streifen geschnittenes Mark der Papyrus-Pflanze, welche kreuzweise übereinandergelegt werden, um dann zu einem festen Blatt geklopft zu werden. Diese konnten dann gerollt werden, waren leichter zu transportieren und konnten ganz einfach mit Tinten beschrieben werden. Seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. taucht vermehrt das Pergament auf. Papyrus war in Europa nicht mehr leicht zu bekommen und es wurde Ersatz benötigt. Bei Pergament handelt es sich um behandelte Tierhäute. Das Herstellungsverfahren ist aber sehr aufwendig und teuer, weshalb in der späten Antike und dem Mittelalter deutlich weniger Schriften produziert wurden. Das änderte sich aber, als im 11. Jahrhundert über die Seidenstraße das Papier nach Europa kam. In China kannte man es schon seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. Das Papier war so erfolgreich, dass sich schnell neue Herstellungsmöglichkeiten in Europa entwickelten, etwa die Papiermühle.

Die nächste bahnbrechende Erfindung war der Buchdruck im Jahr 1452. Diese Technik erlaubte es, Bücher in rasanter Geschwindigkeit zu duplizieren. Gemeinsam mit der Entdeckung Amerikas wird der Buchdruck oft als das Ereignis bezeichnet, welches das Ende des Mittelalters einläutet. Im 19. Jahrhundert kam dann die nächste Revolution, die ersten Schreibmaschinen setzten sich durch. Von Hand schreiben war nicht mehr nötig, schlechte Handschrift spielte keine Rolle mehr. War vor der Schreibmaschine der Beruf des Schreibers oder Sekretärs meist ein männlicher Beruf, so wurden diese zu Frauendomänen. Denn das „Tippen“, wie es verächtlich genannt wurde, erschien als unmännlich.

Von der Schreibmaschine ist es nicht weit bis zum Computer. Anstatt Dinge auf Papier zu schreiben, folgten immer neue digitale Speichermethoden wie Magnetbänder, Disketten und CDs. Waren Fehler in der Schreibmaschine oft ein Grund, die komplette Seite neu schreiben zu müssen, konnte nun mit einfachen Mitteln jeder Text bearbeitet werden. Heute wird die Bearbeitung von Texten in beinahe jedem Beruf vorausgesetzt. Dabei ist es nicht immer so einfach den Überblick zu behalten. Neue Herausforderungen gehen damit einher, wie etwa die Bearbeitung von schreibgeschützten Dokumenten, die Veränderung eines Layouts oder das Einfügen von Seitenzahlen in eine PDF-Datei.

Aber während bis in die 2000er meist noch die Texte auf einem physischen Medium wie der CD oder einer Festplatte digital gespeichert wurden, sind die Texte heute oft direkt im Internet gespeichert. Durch die Cloud fehlt die Notwendigkeit Texte auf den eigenen Geräten zu speichern. Online-Bibliotheken habe eine Menge an Schriften in ihrem Katalog, die die Antike Bibliothek von Alexandria unscheinbar werden lassen. Und sicher ist im Zeitalter der Digitalisierung hier noch nicht Schluss und die nächste Revolution, dass Texte von künstlichen Intelligenzen geschrieben werden, steht schon in den Startlöchern.

 

Bild 1 adobe.stock © Konstantin

Bild 2 adobe.stock © Uslatar

Bild 3 adobe.stock © Erica Guilane-Nachez

Fabio Schwabe

Der Autor

Fabio Schwabe, Lehrer für die Fächer Geschichte, Latein und Sowi, ist das Gesicht hinter Geschichte kompakt. Mit seinen zahlreichen Artikeln hilft er jedes Jahr Schülern dabei, sich optimal auf das Abitur vorzubereiten.

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