Arnold H.L. Heeren: Über den Deutschen Bund

1816 verfasste der deutsche Historiker Arnold H.L. Heeren eine politische Denkschrift, in der er über die Bedeutung des Deutschen Bundes sprach, der 1815 auf Wiener Kongress gegründet worden war. Er betonte dessen Charakter als lockerer Staatenbund, damit Frieden und Gleichgewicht in Europa bewahrt werden könnten. Dies stand im deutlichen Kontrast zu den nationalen Forderungen des Vormärz.

.[…] Ein Bundesstaat kann seiner Natur nach schon nicht erobernder Staat seyn wollen, weil er kein Interesse dabey hat. Welchen Vortheil zöge er aus den Eroberungen; und wem sollten sie zu Gute kommen? Für die Vortheile eines einzelnen seiner Glieder werden die andern nicht kämpfen; und Eroberungen für das Ganze wären nur in so fern gedenkbar, als man etwa einen fremden Staat zwingen wollte, dem Bundesstaat beyzutreten; ein Fall, der hier so außerhalb den Gränzen der Wahrscheinlichkeit liegt, daß es unnütz seyn würde, sich dabei zu verweilen. Aber gesetzt auch, er wollte erobern, so fehlen ihm die Mittel dazu. Es liegt, aus leicht einzusehenden Gründen, in dem Character eines Bundesstaates, daß, wie stark er auch zur Vertheidigung seyn mag, er doch schwach zum Angriff ist; vor allen wo er, wie hier, auf beyden Seiten von mächtigen Monarchien eingeschlossen wird. […]

Der Deutsche Bundesstaat ist ein Friedensstaat in einem viel höheren Sinne. Sein Frieden ist der Frieden, der aus dem Rechtszustande hervorgeht; er dauert mit diesem und hört auf mit diesem. Sein eignes Daseyn ist zunächst an die Sicherheit des Besitzstandes seiner eignen Glieder geknüpft; aber auch die Erhaltung der rechtmäßigen Dynastieen und des rechtmäßigen Besitzstandes der Staaten von Europa liegt keineswegs geradezu außer seiner Sphäre. Nicht daß er, bey jedem entstehenden Streit, sich zum Schiedsrichter aufwürfe; aber gleichgültig bey offener Verletzung des Rechts kann er nicht bleiben, denn Alles, was Revolution heißt, ist ihm ein Greuel. Er muß die Stütze der rechtmäßigen Dynastieen seyn, weil er weiß, daß ihr Sturz zu Revolutionen führt; er muß der Vertheidigung des Princips des rechtmäßigen Besitzstandes seyn, weil ohne dieses für ihn selber bald keine Sicherheit mehr wäre.

Diese ehrenvolle Bestimmung giebt dem Deutschen Bundesstaat schon seine Lage in Verbindung mit seinem Umfange; geschickt dazu macht ihn vor allen andern der Character des Volks. Fern bleibe von dem Deutschen jedes Pralen mit Vorzügen, die er voraus haben will; mit größerem Heldenmuth, größerer Aufklärung, größerer Sittlichkeit! Wir nennen uns nicht selbst die große, nicht die erste Nation. […]

Sein Wesen ist ein föderativer Character; er ist und heißt ein Bund; aber doch ein Bund eigner Art. Der Ausdruck Bund schließt Beydes in sich, sowohl den Begriff eines Staatenbundes, als eines Bundesstaates; und schon ist gefragt worden: zu welcher von beyden Arten der Deutsche Bund zu rechnen sey? Die Antwort ergiebt sich leicht; wir entscheiden klar und bestimmt für die letztere. Die Scheidungslinie zwischen einem Staatenbund und Bundesstaat ist nicht schwer zu ziehen. Ein Staatenbund ist eine Verbindung von Staaten auf beschränkte oder auch zuweilen unbeschränkte Zeit, ohne einen gemeinschaftlichen politischen Mittelpunct, zu verschiedenartigen Zwecken; ein Bundesstaat hingegen eine Verbindung von Staaten auf beständig zu Einem Hauptzweck, dem der Existenz als Staat, mit Einem gemeinschaftlichen Mittelpunct. Er bildet also eine politische Einheit; der bloße Staatenbund nicht. Legt man diese Kennzeichen zum Grunde, so läßt der Character des Deutschen Bundes als Bundesstaat sich aus der Bundesacte selbst am deutlichsten zeigen. Sie giebt dem Bunde eine beständige Dauer; einen bestimmten Zweck, den der innern und äußern Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Deutschen Staaten; endlich einen gemeinschaftlichen Mittelpunct durch die Anordnung des Bundestags und des Orts seiner Versammlung. Mit der Eröffnung des Bundestags steht also auch der Deutsche Bundesstaat als solcher in seiner Wirksamkeit da.

Zitiert nach: Arnold H.L. Heeren, Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem, Göttingen 1816, S. 13 ff. und 20 f. 

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 17.01.2018 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 17.01.2018. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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