Sowjetunions Austritt aus dem Kontrollrat

Nachdem sich die westlichen Besatzungsmächte in der Nachkriegszeit zunächst zur Bizone und dann zur Trizone zusammengeschlossen hatten, erklärte die sowjetische Delegation am 20. März 1948 ihren Austritt aus dem Alliierten Kontrollrat. Als Grund nannte sie die einseitigen Verhandlungen auf der Londoner Sechsmächtekonferenz, die die Gründung eines westdeutschen Staates und somit die Teilung in BRD und DDR vorbereiteten:

Auf der Londoner Konferenz haben offizielle Vertreter der USA, Großbritanniens und Frankreichs miteinander verhandelt und über deutsche Angelegenheiten Entscheidungen getroffen. Diese Angelegenheiten unterstehen der Kompetenz des Kontrollrats und können allein auf der Basis eines Abkommens zwischen den vier Besatzungsmächten entschieden werden. Aber die amerikanischen und britischen Besatzungsbehörden wünschen den Kontrollrat nicht über die in London vorbereiteten Entschlüsse zu informieren und wollen nicht über die Direktiven sprechen, die sie in London in einseitigen Entscheidungen in der Deutschlandfrage erhalten haben. Warum wollen sie das nicht tun? Erstens, weil die Erörterungen dieser Angelegenheiten im Kontrollrat der Weltöffentlichkeit die Augen öffnen würden über die Mitschuld der USA, Großbritanniens und Frankreichs in London gegenüber dem Potsdamer Abkommen und anderen Viermächteabkommen, einer Schuld, deren Ziele unvereinbar sind mit den Veröffentlichungen über die Friedens- und Demokratisierungspolitik Deutschlands. Zweitens, weil die Vertreter dieser Länder versuchen, sich jeden Zwanges zu entledigen, der sie daran hindern könnte, eine Deutschlandpolitik zu treiben, die den Viermächteentschließungen und dem Sinn der Besetzung Deutschlands zuwiderläuft. Es wird eine Situation geschaffen, in der nur die Sowjetdelegation vor dem Kontrollrat Bericht erstatten soll, während die amerikanischen und britischen Mitglieder sich weigern, dem Kontrollrat Rechenschaft über ihre Tätigkeit in ihren Zonen abzulegen. Damit beweisen die Delegierten nur, daß sie mit dem Abkommen über die Kontrollorganisation brechen wollen und die Verantwortung für den Bruch dieses Abkommens übernehmen. Mit dieser Handlungsweise bestätigen die drei Delegationen noch einmal, daß der Kontrollrat in Wirklichkeit nicht mehr als Organ der höchsten Gewalt in Deutschland besteht, die die Viermächteverwaltung in diesem Lande ausgeübt hatte. Das hat sich schon bei allen vorausgegangenen Sitzungen gezeigt. Diese Delegationen zerstören und begraben den Kontrollrat und heben seine Übereinkommen in Deutschland auf. Es untersteht keinem Zweifel, daß dies die ernsteste Verletzung der Verpflichtungen ist, die den britischen, amerikanischen und französischen Besatzungsbehörden auferlegt werden. Es tritt klar zutage, daß die Schritte, die in den westlichen Besatzungszonen unternommen wurden und noch unternommen werden, in Übereinstimmung mit den einseitigen Entschlüssen der Londoner Konferenz geschehen und daher nicht als rechtlich angesehen werden können. Da die britischen und amerikanischen Mitglieder sich weigerten, über diese Dinge zu berichten, die auf der Londoner Konferenz erörtert wurden, sehe ich keine Veranlassung, die heutige Sitzung weiterzuführen und vertage sie hiermit.

Zitiert nach: Berlin, Quellen und Dokumente 1945 – 1951, S. Halbbd., S. 1438, in: Was ist des deutschen Vaterland? Dokumente zur Frage der deutschen Einheit 1800-1990, hrsg. v. Peter Longerich, München 1990, S. 165 ff. 

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 17.01.2018 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 17.01.2018. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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